Über das Land Kolumbien

Inhalt

Demografie

Die Republik Kolumbien (República de Colombia) ist das viertgrößte Land Südamerikas und liegt im Norden des Kontinentes. Auf einer Fläche gut dreimal so groß wie Deutschland leben ca. 48 Millionen Menschen. Davon leben rund 8,4 Millionen Menschen in der Hauptstadt Bogotá, die auf 2640 m Höhe ü. NN relativ zentral in der Mitte des Landes liegt. Kolumbien grenzt an Panama, Ecuador, Peru, Brasilien und Venezuela.

Die ehemalige spanische Kolonie ist seit dem Jahr 1810 von Spanien unabhängig. Die Unabhängigkeit wird am 20. Juli, dem Nationalfeiertag, zelebriert. Die Einwohner Kolumbiens sind so vielfältig wie die Geschichte und das Land selbst. Nachfahren europäischer Einwanderer und afrikanischer Sklaven, indigene Gruppen und Mestizen bilden die facettenreiche kolumbianische Gesellschaft. Die Amtssprache Kolumbiens ist Spanisch; es gibt außerdem mindestens 65 anerkannte indigene Sprachen. Nicht nur auf sprachlicher Ebene ist die Vielfalt Kolumbiens zu spüren. Die verschiedenen kulturellen Einflüsse schlagen sich auch in Musik, Tanz und Kunst nieder. Mehr Informationen über die Rolle der Kunst in Kolumbien finden sich in dem Artikel unserer Geförderten Zaida.

Politik

Kolumbien ist eine Präsidialdemokratie. Das aktuelle Staatsoberhaupt und der Regierungschef ist seit der Wahl im Jahr 2018 der rechts-konservative Iván Duque Márquez, der der Partei „Centro Democrático“ angehört. Mehr zu seinen innenpolitischen Maßnahmen finden sich am Ende des Abschnitts „Bewaffneter Konflikt und Friedensvertrag“.

Menschenrechte

Obwohl die Lage sich in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, gibt es immer noch viele Probleme, die sich zurzeit zusätzlich zu verschärfen scheinen. Kolumbien hat trotz des in Kraft getretenen Friedensvertrags den Frieden noch nicht gefunden. Paramilitärische Gruppen, einige Guerilla-Kämpfer*innen und andere kriminelle Banden bedrohen weiterhin die Zivilbevölkerung. Kolumbien ist weltweit das Land mit den meisten Binnenflüchtlingen. Es gibt viele unaufgeklärte Vermisstenfälle.

Menschenrechtsaktivist*innen, sowie Aktivist*innen, die sich für Umwelt- und Naturschutz, gegen große Unternehmen einsetzen, Gewerkschaftler*innen usw., leben gefährlich. Sie werden oft bedroht, nicht selten sogar umgebracht. 172 ermordete Aktivist*innen im letzten Jahr (2018); allein bis Mai 2019 waren es in diesem Jahr bereits mindestens 51 ermordete Aktivist*innen (El Espectador). Bereits unter der Regierung von Santos war die Lage problematisch; mit dem Regierungswechsel jedoch stieg auch die Gewalt gegen soziale Aktivist*innen an.

Auf Proteste, z.B. von Studierenden oder von indigenen, afrokolumbianischen und landwirtschaftlichen Gemeinden wird durch den Staat oft gewalttätig reagiert. Mehr Informationen zur Pressefreiheit in Kolumbien finden sich in dem Artikel unserer Geförderten Natalia. Sie schrieb ebenfalls einen Artikel über die Situation der Frauen in Kolumbien, die sich nach wie vor schwierig gestaltet.

Geografie

Landschaftlich ist Kolumbien sehr abwechslungsreich. Aufgrund von durch die Anden bedingten großen Höhenunterschieden und damit verbundenen Temperatur- und Niederschlagsunterschieden, umfasst das Land tropische, subtropische und gemäßigte Klimazonen. Es haben sich Regenwälder (dem Amazonasregenwald bzw. Orinokien zugehörig), Nebelwälder, Bergwälder, Savannen und wüstenähnliche Gebiete sowie Hochgebirge ausgebildet. Außerdem grenzt Kolumbien im Norden an den Atlantik bzw. an das karibische Meer und im Westen an den Pazifik. Die Küstenlinie beträgt insgesamt mehr als 3000 km. Allgemein kann Kolumbien in fünf Großräume unterteilt werden: Die Anden, das karibische Tiefland, das pazifische Tiefland und Amazonas/Orinokien. Die naturräumliche Vielfalt führt zu einer sehr hohen Biodiversität. Die Artenzahl der Flora und Fauna Kolumbiens ist die zweitgrößte der Welt. Mehr Informationen zur Artenvielfalt Kolumbiens und der Bedrohung dieser finden sich in dem Artikel unserer Geförderten Gloria Isabel.

Religion

Ca. 80 % der Bevölkerung gehören der römisch-katholischen Kirche an, die übrigen 20 % teilen sich auf andere, hauptsächlich christlich-evangelikale Gruppen auf. Etwa 1 % der Bevölkerung gehört indigenen Religionen an.

Wirtschaft

Auch aufgrund der großen Wald- und Sumpfgebiete und großen Höhenunterschiede ist die Infrastruktur des Landes sehr ungleichmäßig ausgebaut. Wirtschaftliches und kulturelles Zentrum des Landes ist vor allem die Hauptstadt Bogotá, aber auch andere große Städte wie Barranquilla, Cali, Medellín und Cartagena de Indias sind wichtige Knotenpunkte. Zwischen der Entwicklung der Infrastruktur in ländlichen und urbanen Regionen gibt es große Unterschiede.

Die Wirtschaft Kolumbiens wird vor allem durch Erzeugnisse aus der Landwirtschaft und der Industrie dominiert. Kolumbien exportiert beispielsweise Kaffee, Schnittblumen und Bananen. Andere wichtige Wirtschaftszweige sind der Tourismus und Dienstleistungen, sowie die Förderung von Rohstoffen (u.a. Erdöl, Steinkohle), die ebenfalls exportiert werden. Welche sozial-ökologische Probleme dies mit sich bringt, berichtet unsere Geförderte Nathaly in ihrem Bericht über den Tagebau in Kolumbien.

Insgesamt betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (BIP) im Jahr 2017 6.301,59 US-Dollar (Weltbank). Der Human Development Index wird von den Vereinten Nationen als Wohlstandsindikator berechnet und nimmt einen Wert zwischen 0 und 1 an. Der HDI Kolumbiens im Jahr 2017 betrug 0.747, womit das Land auf Rang 90 der betrachteten Länder steht (Human Development Reports). Mithilfe des GINI-Koeffizienten kann auch die Verteilung von Wohlstand auf die Bevölkerung gemessen werden. Mit einem Wert von 49,70 (2017) offenbart er für Kolumbien leider eine sehr große Ungleichverteilung von Einkommen (Knoema), was zu entsprechendem Wohlstandsgefälle zwischen Bevölkerungsgruppen innerhalb von Städten, aber auch von ländlichen und urbanen Gebieten führt.

Bewaffneter Konflikt und Friedensvertrag

Der große Unterschied zwischen Arm und Reich ist wie in vielen ehemaligen Kolonien, geschichtliches Erbe. 52% aller privaten Flächen Kolumbiens befinden sich im Besitz eines Prozents aller Landeigentümer*innen (kolko – Menschenrechte für Kolumbien e.V.). Insbesondere diese ungleiche Landverteilung führte in den 1960er Jahren zu der Gründung der FARC („Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“/ Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens), die, marxistische Ideal verfolgend, die zum Ziel hatten, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen, die soziale Ungerechtigkeit zu beenden und den Landbesitz gerechter zu verteilen. Die im Grunde genommen nicht schlechten Ideen, versuchten sie jedoch mit Gewalt, durch Vertreibung und Enteignung, umzusetzen. Darunter litt vor allem die zivile Bevölkerung, insbesondere in ländlichen Regionen. Die eigentlichen Ziele rückten dabei schnell in den Hintergrund. Zum Großteil finanzierten sie sich dabei durch Drogenhandel.

Die Regierung reagierte mit Gegengewalt. Der bewaffnete Konflikt zwischen den Guerillas und dem Staat dauerte mehr als 50 Jahre an. Mit dem rechts-konservativen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez wurde er nochmals verschärft. Aus seinem scharfen und gewalttätigen Vorgehen gegen die Guerillas entwickelten sich paramilitärische Gruppen, die eigenständig gegen die FARC vorgehen wollten, aber auch von offiziellen Seiten Unterstützung erhielten. Sie unterschieden sich dabei aber bezüglich ihres Vorgehens und ihrer Gewalttätigkeit kaum von den Guerillas und fügen der zivilen Bevölkerung Kolumbiens bis heute immensen Schaden zu. Das Ergebnis: mehr tote Zivilisten, mehr Vertriebene. Kolumbien zählt mittlerweile rund 7,7 Millionen Binnenflüchtlinge.

Nach verschiedenen gescheiterten Versuchen, einen Friedensvertrag abzuschließen, gelang es der Regierung unter Juan Manuel Santos, 2016 einen Friedensvertrag mit der FARC abzuschließen. Santos erhielt dafür den Friedensnobelpreis. Zum Zeitpunkt der Verhandlungen waren die FARC militärisch geschwächt; die rechts-liberale Regierung verfolgte vor allem das Interesse der Öffnung der Wirtschaft für den internationalen Markt, strebte also ebenfalls eine Stabilisierung der Lage an.

Trotz dieses Erfolgs stimmte die kolumbianische Bevölkerung aus verschiedenen Gründen bei einer Volksabstimmung zunächst gegen den Friedensvertrag. Insgesamt fiel die Wahlbeteiligung sehr gering aus. Im Vorfeld betrieb der dem rechten Spektrum angehörigen Ex-Präsident Uribe Propaganda gegen den Vertrag, der seiner Meinung nach, die FARC zu glimpflich davonkommen ließe. Sein Standpunkt wurde insbesondere von der städtischen Bevölkerung vertreten, während diejenigen, die direkt vom Konflikt betroffen sind, sprich in erster Linie die Landbevölkerung, zum großen Teil für den Vertrag stimmte. Von politisch links eingestellten Gruppierungen wurde der Vertrag ebenfalls kritisiert, da einerseits das fehlende Mitspracherecht der Opfer des Konflikts bei den Friedensverhandlungen in die Kritik geriet, und andererseits der Regierung unter Santos mangelnde Umsetzung des Vertrags und ihrer Versprechen vorgeworfen wurde. Der Vertrag wurde überarbeitet und trat wenig später in Kraft.

International ist der Vertrag hoch angesehen: zum einen zielt er auf einige wichtige Ursachen des Konflikts ab, so zum Beispiel auf die ungleiche Landverteilung („reforma rural“), die kaum mögliche politische Teilhabe sowie den Drogenhandel („Programa de Sustitución de Cultivos Ilícitos“), zum anderen stehen die Opfer des Konflikts im Mittelpunkt. Besonders wichtig ist dabei das „Integrale System für Wahrheit, Gerechtigkeit, Entschädigung und Garantien der Nicht-Wiederholung“ („Sistema integral de Verdad, Justicia, Reparación y No Repetición“), das sich mit der Suche nach Verschwundenen und dem Finden der Wahrheit beschäftigt, sowie eine Sondergerichtsbarkeit beinhaltet. Kürzere Haftstrafen für die Täter sollen im Austausch für die Wahrheitsfindung möglich sein. Jedoch darf das Gericht keine Zivilisten und Staatsfunktionäre, die im Zusammenhang mit dem Konflikt stehen, untersuchen. Die FARC gaben ihre Waffen ab und wurden im Gegenzug als politische Partei anerkannt. Sie sollten außerdem Hilfen zur Reintegration erhalten.

Die Umsetzung des Friedensvertrags seitens der Regierung verläuft jedoch schleppend. Versprochene Hilfen für die Wiedereingliederung der FARC bleiben häufig aus, einige Mitglieder kehren aufgrund von mangelnden Perspektiven in die Illegalität zurück; auch die „reforma rural“, d.h. die Verteilung und Anerkennung von Land, sowie der Ausbau der Infrastruktur, gehen nur schleppend voran. Gleiches gilt für den Kampf gegen den Drogenhandel. Die Fläche des Koka-Anbaus ist sogar wieder angestiegen. Im Friedensvertrag festgelegte Koka-Substitutionsprogramme, die den Bauern finanzielle Unterstützung beim Anbau legaler Agrarprodukte zusichern – um dem finanziellen Anreiz des Koka-Anbaus entgegenzuwirken – funktionieren nicht. Die Unterstützung bleibt häufig aus. Kolumbien scheint nicht vorbereitet zu sein, auf den sogenannten „postconflicto“. Es fehlen Gelder und Personal. Das Machtvakuum, das durch den Rückzug der FARC in vielen ländlichen Regionen entstanden ist, hätte von der Regierung gefüllt werden müssen, befindet sich stattdessen aber weiterhin außerhalb der Kontrolle dieser. Dort herrschen nun paramilitärische Gruppen und kriminelle Banden, die weiterhin die Bevölkerung bedrohen und vertreiben. Sie führen auch den Drogenhandel fort. Von Frieden kann hier nicht die Rede sein.

Unter der neuen, rechten Regierung unter Iván Duque entfernt sich Kolumbien weiter vom wirklichen Frieden. Duque brach die Friedensverhandlungen mit der Guerilla-Gruppe ELN („Ejército de Liberación Nacional“) ab. Außerdem verfolgt er eine restriktive Drogenpolitik, die den kleinen Konsumenten am Ende der Kette bestraft, aber nicht das Hauptproblem angeht. In seinem im Dezember 2018 vorgestellten Plan „ruta futura“ sieht er auch vor, die Vernichtung von Koka-Feldern durch Glyphosatbesprühung voran zu treiben. Duque ist zwar an den Friedensvertrag mit der FARC gebunden, hat aber durchaus Spielräume, auch diesen zu verändern, was er bereits versucht. Unsere Geförderte Natalia hat im Rahmen ihres Journalismus-Studiums einen Artikel über die Gefahren für die Sondergerichtsbarkeit durch Duque geschrieben.

Quellen

Auswärtiges Amt: Länderinformationen Kolumbien: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kolumbien-node

Human Development Report: http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/COL, http://hdr.undp.org/sites/all/themes/hdr_theme/country-notes/COL.pdf

Knoema Datenbank: https://knoema.de/atlas/Kolumbien/Gini-Koeffizient

Bundeszentrale für Politische Bildung: https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54621/kolumbien

FU Berlin: https://blogs.fu-berlin.de/kolblog/tag/landverteilung/

Fact Sheet Kolumbien: https://www.oeku-buero.de/files/docs/Factsheets/180626%20factsheet-LAND%20final.pdf

Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien: http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/wahrheit-wiedergutmachung-und-gerechtigkeit/wie-geht-es-dem-frieden/

Fundación Paz y Reconciliación: https://pares.com.co/wp-content/uploads/2018/06/INFORME-FINAL-2018-ilovepdf-compressed.pdf

Oficina del alto Comisionado para la Paz: http://www.altocomisionadoparalapaz.gov.co/herramientas/Documents/Nuevo_enterese_version_6_Sep_final_web.pdf

Das Lateinamerika-Magazin: http://ila-web.de/ausgaben/419/im-schneckentempo

CINEP/PPP & CERAC: (Quintoinforme deverificación de la implementación delAcuerdoFinal de Paz en Colombia para los Verificadores Internacionales Felipe González y José Mujica (A.F. 6.3.2)) https://www.cinep.org.co/images/2019Noticias/5to-Informe-Secretara-Tcnica.pdf

Tu ventana abierta a América (CSPP): https://www.youtube.com/watch?v=8Ud9TISxn4A

Arte Dokumentation: Der Krieg danach (https://www.youtube.com/watch?v=3r-kJWPhj2w)

Arte Dokumentation: Den Frieden finden (https://www.youtube.com/watch?v=_5vwCo9AAFA)

Spanischsprachige Dokumentation: „Nos están matando“, el grito de los líderes sociales en Colombia (https://www.youtube.com/watch?v=IJOKfMaMh3w)

Verdad abierta: https://verdadabierta.com/los-alarmantes-patrones-que-rodean-el-asesinato-de-lideres-sociales/

TAZ: http://www.taz.de/!5562658/

Kolko: https://www.kolko.net/category/menschenrechte/

Amnesty International: https://www.amnesty.de/informieren/laender/kolumbien

El Espectador: https://www.elespectador.com/noticias/judicial/en-2018-fueron-asesinados-172-lideres-sociales-defensoria-del-pueblo-articulo-833374, https://www.elespectador.com/noticias/nacional/onu-lanza-alerta-por-aumento-lideres-sociales-asesinados-en-colombia-articulo-859926

Contagio Radio: https://www.contagioradio.com/colombia-pais-mas-asesinatos-defensores-mundo/

Documental: SANGRE Y TIERRA – Resistencia Indígena del Norte del Cauca (http://www.contagioradio.com/en-apoyo-a-la-minga-documental-sangre-y-tierra-disponible-online-articulo-63461/?fbclid=IwAR2T8Zu1BS0MrEr5MVkRf4aZ4eitcftdu6aVdZWAWQ1laVKEwTb5L3hnJAo)